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Vorlesung 2
Funktionale Varietäten des Deutschen. Stilklassifikation.
Die Funktionalstilistik nach Elise Riesel
Die Grundpositionen einer funktionalen Stilistik: Allen Texten kommt Stil zu; unterschiedliche Verwendungsweisen von Sprache hängen mit verschiedenen Bereichen gesellschaftlicher Tätigkeit zusammen - waren schon vor Elise Riesel in der sowjetischen (u. a. Sorokin, Gal'perin), vor allem aber in der tschechischen Linguistik (u. a. Havränek, Dolezel) ausgearbeitet worden. Elise Riesel war es nun, die aus diesen noch eher thesenhaften Postulaten ein in sich geschlossenes Stilmodell entwickelte, das als Alternative verstanden wurde zu den zahlreichen unterschiedlichen Ansätzen zur Kennzeichnung stilistischer Phänomene, die in jener Zeit in der Forschung, aber auch bei der praktischen Interpretation von ,Stilen' nebeneinanderstanden:
• Stil als ausschließlich ästhetisches Phänomen,
• Stil als primär grammatisch geprägte Erscheinung,
• Stil als Verwendung von ,Stilfiguren',
- Stil als statistisches Phänomen (zurückgreifend auf Frequenzen und die Distribution einzelner Stilelemente),
- Stil als Abweichung von Normen,
- Stil als (Aus-)Wahl zwischen sprachlichen Möglichkeiten (Stil als Varianz),
• Stil als implizite Selbstdarstellung des Sprechers / Schreibers,
• Stil als konnotative Beigabe,
• Stil als Mittel zur Bewirkung bestimmter Zwecke.
Elise Riesel präferierte eindeutig eine funktionale Auffassung von Stil.
Stil ist für sie „die zweckmäßig gestaltete Verwendungsweise von Sprache" [12. S. 10]. Oder detaillierter:
Stil ist „funktionsgerechter, durch außer- und innerlinguistische Momente bedingter Gebrauch des sprachlichen Potentials im schriftlichen und mündlichen Gesellschaftsverkehr." [13. S. 5]. Stil kommt daher nicht nur literarischen Texten, sondern allen Texten - und damit Texten „in allen kommunikativen Bereichen" - schlechthin zu.
Besonders hebt sie hervor, dass der Sprachgebrauch der Individuen wesentlich differiert in Abhängigkeit von der jeweiligen gesellschaftlichen Anwendungssphäre, dem jeweiligen Funktionsbereich. Und eben diese gesellschaftlichen Anwendungsbereiche werden dann auch für Riesel zur Grundlage für eine Klassifikation der funktionalen Stile'.
Dabei unterscheidet sie bekanntlich die folgenden 5 Funktionalstile [13. S. 19]:
• Stil der öffentlichen Rede;
• Stil der Wissenschaft;
• Stil der Presse und Publizistik;
• Stil der Alltagsrede;
• Stil der schönen Literatur.
Dabei nimmt sie auch eine weitere Untergliederung in Gattungsstile - teils auch in Textsorten - vor.
Im Einzelnen aber komme es beim Stilistischen immer darauf an, „wie die sprachlichen Möglichkeiten in konkreter Rede gebraucht werden" [12. S. 10]. Sie hebt die ,Mikrostilistik' (bezogen auf sprachliche Einheiten unterhalb der Textebene) von einer
,Makrostilistik', einer ,Stilistik des Großzusammenhangs', einer ,Textstilistik' ab [13. S. 4]. In diesem Zusammenhang geht sie auch auf die Frage nach unterschiedlichen stilistischen Bedeutungen / Stilfärbungen ein [14. S. 29 f.].
Von besonderer Relevanz für ihr Modell aber sind bestimmte Stilprinzipien, ,Stilzüge' in der Terminologie Elise Riesels. Sie geben den Rahmen ab für die konkrete Verwendung von lexikalischen, grammatischen und phonetischen Elementen. Mit Hilfe von spezifischen Bündelungen solcher Stilzüge lasse sich jeder einzelne Funktionalstil charakterisieren. Für den Bereich des Alltagsverkehrs, dem sie ein ganzes Buch widmete [15], nennt sie beispielsweise die Stilzüge Ungezwungenheit / Lockerheit, Emotionalität / subjektive Bewertung, Bildhaftigkeit / Dynamik sowie Ausdrucksökonomie [13. S. 66 f.].
Jede geschlossene Rede, jeder Text weist nach Riesel charakteristische (Stil-)Merkmale auf, die eine Zuordnung zu einem der oben genannten „gesetzmäßig geordneten... Stiltypen" [12. S. 11] zulassen.
Bei W. Fleischer und G. Michel [1. S. 246] findet sich eine plausible Zusammenfassung der grundlegenden Funktionalstile Elise Riesels in der Form eines Algorithmus:
Alle Äußerungskomplexe werden zunächst getestet, ob sie spontan und ungezwungen formuliert oder aber .sprachlich ausgefeilt' sind (Knoten 1). Die große Gruppe spontan ausformulierter Texte lässt sich dann als Funktionalstil der Alltagsrede ausgliedern.
Aus dem verbleibenden großen Block .ausgefeilter Texte' wiederum lassen sich zunächst jene Texte aussondern, die auf ästhetische Wirkung abzielen, also die Texte der .schönen Literatur', die Riesel als Funktionalstil der Belletristik zusammenfasst (Knoten 2).
Die nach diesem Schritt noch verbleibende Restmenge von Texten wird als Klasse der ,Sachtexte' zusammengefasst, deren Differenzierung sich daraus ergibt, ob sie dominant informationsvermittelnd sind (dann haben wir es mit Texten des Funktionalstils Wissenschaft zu tun) oder aber, ob ihnen eher eine verhaltenssteuernde Funktion zukommt. Für diesen Textkomplex wird hier der Terminus .Direktive' eingeführt (Knoten 3).
Nicht berücksichtigt wird bei W. Fleischer und G. Michel [1] der Funktionalstil der Publizistik, da er sich diesem Algorithmus wegen der Heterogenität der hier verwendeten sprachlichen Mittel entzieht.
Elise Riesel legte aber nicht nur theoretische Abhandlungen zur Problematik der Funktionalstile vor. Sie entwickelte darüber hinaus auch konkrete Anleitungen für die Handhabung von Textinterpretationen (nach diesem Modell) sowohl für belletristische Texte (vor allem [13. S. 33 ff.]) als auch für Sachtexte [13. S. 118]. Die zahlreichen Textinterpretationen aus ihrer Feder zeichnen sich durch Exaktheit sowie funktionale und ästhetische Angemessenheit der Darstellung aus.
Michael Hoffmann
Funktionale Varietäten des Deutschen
„Funktion“ bezeichnet in der kommunikativ orientierten Sprachwissenschaft den kommunikativen Zweck sprachlicher Zeichen, Äußerungen und Äußerungsaspekte. In Karl Bühlers Organonmodell werden sprachlichen Zeichen drei kommunikative Grundfunktionen zugewiesen. Die Sprechakttheorie bezeichnet kommunikative Absichten, die ein Sprecher
mit seiner Äußerung verfolgt, als illokutionären Zweck. In der Textlinguistik ist es üblich, von Textfunktionen zu sprechen. In der pragmatischen Stilistik hat sich der Begriff des stilistischen Sinns etabliert, um stilistische Funktionen im Kontext sprachlich-kommunikativen Handelns zu erfassen. Was nun meint „Funktion“ in der Funktionalstilistik? Gemeint ist allgemein „Sprachfunktion“, und zwar im Kontext einer Sprachtheorie, die die konkreten gesellschaftlichen Zwecke der Sprache in verschiedenen Kommunikationsbereichen (Tätigkeitssituationen) der Menschen fokussiert. Funktionalstile bzw. funktionale Varietäten sind dementsprechend zweckbestimmte, kommunikationsbereichsbezogene Teilsprachen einer Einzelsprache. Maßgebend für diese stilistische Ordnung, die Ordnung nach Kommunikationsbereichen, sind Vorstellungen von einer arbeitsteilig organisierten Gesellschaft, wodurch sich verschiedene Arbeits- und Lebensbereiche des Menschen konstituiert haben, in denen die Sprache als Kommunikationsmittel bei der Bewältigung von je
spezifischen Aufgaben dient. In der folgenden Übersicht sind grundlegende funktionale Zusammenhänge zwischen Gesellschaft (Kommunikationsbereichen)
und Sprache (Varietäten) dargestellt.
Funktionale Zusammenhänge zwischen Gesellschaft und Sprache
Kommunikationsbereiche
(Tätigkeitssituationen)
Tätigkeiten
(gesellschaftliche
Zwecke der
Sprache)
Funktionale
Varietäten
(zweckbestimmte
Teilsprachen)
Alltag
(Alltagskommunikation)
Besprechen familiärer
Angelegenheiten;
Pflege privater
Kontakte;
Freizeitgestaltung
Alltagssprache
(auch: Funktionalstil
des Alltagsverkehrs)
Bürokratie
(Behördenkommunikation)
Administrieren;
Regeln offizieller
Angelegenheiten
Behördensprache
(auch: Funktionalstil
des Amtsverkehrs)
Wissenschaft
(Wissenschaftskommunikation)
Vermitteln theoretischer
Erkenntnisse
über die
Welt
Wissenschaftssprache
(auch: Funktionalstil
der Wissenschaft)
Journalismus
(Pressekommunikation)
Informieren über
aktuelle Ereignisse;
Beeinflussen
der öffentlichen
Meinung
Pressesprache
(auch: Funktionalstil
der Presse und Publizistik)
Kunst
(poetische Kommunikation)
Herstellen von
Sprachkunstwerken;
Bewirken von
Kunsterlebnissen
Dichtersprache
(auch: Funktionalstil
der Belletristik)
2. Kernpunkte der Kritik am System der Funktionalstile
Die Auffassung von der gesellschaftlich-funktionalen Differenziertheit der Sprache verbindet sich wissenschaftsgeschichtlich mit der Prager Schule des Strukturalismus (vgl. u.a. Havránek 1976a [1932]; 1976b [1942]), sie fand über die Stilforscherin Elise Riesel (vgl. Riesel 1963; Riesel/Schendels 1975) Eingang in die Germanistik und hat seitdem in der stilistischen (Fleischer/Michel 1975; Sanders 1977) und varietäten linguistischen Fachliteratur (Löffler 1994) einen festen Platz. Man spricht von Funktiolekten, Funktionalstilen, Bereichsstilen (Fleischer/Michel/ Starke 1996) und versäumt i.d.R. nicht den Hinweis, dass das System
der funktionalen Sprachen/Stile so manche Schwachstelle aufweist.
Kernpunkte der Kritik sind die folgenden:
• Die Gliederung in fünf funktionale Sprachen/Stile erfasst nicht sämtliche Kommunikationsbereiche bzw. gesellschaftlichen Sprachfunktionen.
Da von der Theorie her nicht alle Kommunikationsbereiche erfasst sind, bleiben bestimmte Textmengen zwangsläufig unberücksichtigt. Von der klassischen Funktionalstilistik nicht
erfasst sind z.B. die Bereiche ‚Kirche’, ‚Militärwesen’ und ‚Tourismus’. Auch stellt sich die Frage, wie weit oder wie eng ein Kommunikationsbereich abzustecken ist (vgl. Fleischer/Michel/Starke 1996, 36). Im Interesse der Lehr- und Lernbarkeit sollte die Zahl der zu
berücksichtigenden Bereiche auf jeden Fall überschaubar bleiben.
• Das System ist zu grob, es wird der Vielgestaltigkeit von Texten innerhalb eines Kommunikationsbereichs nicht gerecht.
Man denke an die Vielfalt von journalistischen Beiträgen in der Presse oder an den Reichtum schriftstellerischer Handschriften in der Kunst. Hier könne demnach nicht von einem einheitlichen sprachlichen Erscheinungsbild die Rede sein. Wer so argumentiert,
übersieht, dass dieses Erscheinungsbild nicht an einzelnen Sprachvarianten festgemacht werden kann, sondern nur an grundlegenden Gestaltungszusammenhängen. Darüber hinaus kann man
im Rahmen des Systems weiter differenzieren. Möglichkeiten bestehen
a) in der Unterscheidung von Gattungssprachen/-stilen (so kann die Behördensprache differenziert werden in Verwaltungssprache, Rechtssprache, Geschäftssprache), b) in der Untersuchung der funktionalen Sprachen/Stile im Textsortenzusammenhang (so können Besonderheiten der Behördensprache im Rahmen der Textsorten Bekanntmachung, Gesetzestext, Vertrag, Antrag, Gesuch, Leistungsschein u.a. untersucht werden), c) in der Bildung von Stilklassen, d.h. der Bündelung verschiedener Stilregister innerhalb
eines Kommunikationsbereichs (so kann man die Stilklasse der behördensprachlichen Stile bilden, die verschiedene Register der Gestaltung von Beziehungen zwischen den Kommunikationsteilnehmern, der Selbstpräsentation des Textproduzenten usw. umfasst).
• Die Bezeichnung der einzelnen Funktionalstile ist in hohem Maße uneinheitlich. Neben den Bezeichnungen „Behördensprache“ und „Stil des institutionellen Verkehrs“ beispielsweise findet man auch die unzutreffenden Bezeichnungen „Stil des öffentlichen
Verkehrs“ und „Sprache des offiziellen Verkehrs“. Letztere sind deshalb unzutreffend, weil Behördenkommunikation nicht immer öffentlich, also für jedermann zugänglich, stattfindet und auch nicht immer offiziellen Charakter trägt. Das Nebeneinander der Konstituenten
„Sprache“ (Behördensprache) und „Stil“ (Funktionalstil des Amtsverkehrs) ist aber durchaus begründbar. Es erklärt sich zum einen daraus, dass funktionale Stile eben auch als Teilsprachen einer Einzelsprache gelten, zum anderen daraus, dass funktionale Sprachen Instrumentarien zur Gestaltung von Texten sind, was dazu berechtigt, von Stilformen zu sprechen (vgl. auch 2.3.).
Der Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Kommunikationsbereich und den konkreten Sprachmitteln ist kein direkter, sondern ein über Stilprinzipien (Auswahl- und Kombinationsprinzipien) vermittelter. Dabei muss man von einer Hierarchie solcher Prinzipien ausgehen, da sich einige für die Gestaltung von Texten als dominierend erweisen. Diesen Umstand kann man sich bei der Abgrenzung der funktionalen Varietäten zunutze machen.
Bei Fleischer/Michel (1975, 246ff.) finden wir den Versuch einer funktionalstilistischen
Grobgliederung mittels einer algorithmischen Schrittfolge, die sich – nicht durchweg einheitlich – auf grundlegende Gestaltungsmerkmale von Texten und die ihnen zugrunde liegenden Stilprinzipien stützt.
An diese Methodik anknüpfend, stellt M.Hoffmann hier einen erweiterten und vereinheitlichten Algorithmus mit fünf Schritten vor. Bei jedem dieser Schritte ist von einem Knotenpunkt aus eine Entscheidung zwischen zwei alternativen Gestaltungsmerkmalen zu treffen (vgl. Abb. 2). Wie zu erkennen ist, bietet der
Algorithmus die Möglichkeit, eine weitere Varietät, und zwar die Werbesprache,
in das funktionale Varietätengefüge zu integrieren.
Texte aller Art
Alltagssprache
Dichtersprache Literarischausgefeilte Texte
Wissenschaftssprache Sachprosa: Texte ohne künstlerische Formung
Behördensprache Texte ohne theoretische Abstraktheit
Pressesprache Texte ohne bürokratische Formalisierung
Werbesprache
Knoten 1: ungezwungen-locker vs. literarisch-ausgefeilt
Knoten 2: künstlerisch geformt vs. nicht künstlerisch geformt
Knoten 3: theoretisch-abstrakt vs. nicht theoretisch-abstrakt
Knoten 4: bürokratisch-formalisiert vs. nicht bürokratisch-formalisiert
Knoten 5: journalistisch geformt vs. anpreisend-persuasiv
"Funktionalstil: Verwendungsweise sprachlicher Mittel in einem bestimmten Kommunikationsbereich; entspricht einer charakteristischen gesellschaftlichen Funktion. Arten: F. des institutionellen Verkehrs (s. Amtsstil), F. der Wissenschaft, F. der s. Alltagsrede, F. der schönen Literatur, F. der Publizistik und Presse. Für jeden F. ist die Kombination einer Reihe obligatorischer bzw. fakultativer Stilzüge charakteristisch. Zahl und Abgrenzung der Funktionalstile ist umstritten, vor allem die Existenz eines selbständigen Funktionalstils der Publizistik und Presse wird in Frage gestellt. Vgl. Gattungsstil." (77)
"Gattungsstil: Verwendungsweise sprachlicher Mittel innerhalb eines Funktionalstils. Folgende Gattungsstile gehören zum Funktionalstil des öffentlichen Lebens: Amtsstil, Stil des Gerichtswesens, Stil des Diplomatenverkehrs, Stil des Handelsverkehrs. Jeder G. wird durch spezifische Stilzüge gekennzeichnet. Ein umfassendes System der Gattungsstile und der ihnen zuzuordnenden obligatorischen nzw. Fakultativen Stilzüge wird noch erarbeitet." (79)
"Amtsstil: Funktionalstil des öffentlichen Lebens zur Übermittlung amtlicher (offizieller) Informationen. Der A. ist durch folgende Stilzüge gekennzeichnet: 1. Unpersönlichkeit und Objektivität, 2. gedrängte Kürze, 3. Klarheit. Mangels überzeugender Beweise wurde die Angeklagte freigesprochen. Wegen verschiedener Auswüchse (schwerfällige Konstruktionen, Häufung analytischer Verbindungen, Schwulst) wird der Terminus A. häufig mit pejorativer Färbung (Bürokratenstil) verwendet." (24f.)
Sprachstil der Wissenschaft.
Kommunikative Rahmenbedingungen der Wissenschaftskommunikation:
Die Kommunikationspartner begegnen sich entweder als Fachleute (Wissenschaftler) oder als Fachleute und Studierende oder als Fachleute und Laien. Kommuniziert werden Erkenntnisse über die Welt in Gestalt von Regeln bzw. Gesetzmäßigkeiten, Typologien, Klassifizierungen
u. dgl. Der Kommunikationskanal ist vorwiegend schriftlich. Publikationen haben einen besonderen Stellenwert, da nur sie die geistige Urheberschaft absichern und die gründliche Auseinandersetzung mit Positionen, Thesen usw. ermöglichen.
Gattungssprachen: Mit Riesel/Schendels (1975, 292) kann man unterscheiden:
• die akademische Wissenschaftssprache;
• die populärwissenschaftliche Sprache (sie dient der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Vorstellungswelt von Laien). Entsprechend den oben genannten Rollenkonstellationen wäre mindestens noch eine Gattungssprache zu ergänzen, nämlich die didaktische Wissenschaftssprache, deren man sich insbesondere an Hochschulen
bedient, um Wissen lehr- und lernbar aufbereitet zu vermitteln.
Text- und Gesprächssorten: Dissertation, Magisterarbeit, Monographie, Zeitschriftenaufsatz, Rezension, Forschungsbericht, wissenschaftliches
Gutachten, Abstract, Lexikonartikel, wissenschaftliche Diskussion,Vorlesung, Hochschullehrbuch, Seminarreferat, -gespräch u.a.
Da die Wissenschaft dazu berufen ist, mit Hilfe logisch/sachlicher Beweisführung die Erkenntnis der Wirklichkeit und ihrer Grenze zu vermitteln, muss der Sprachstil der Wissenschaft entsprechende Züge aufweisen, wie etwa: neutrale Lexik ohne stilistisch-expressive Färbung, streng eindeutige Terminologie, sparsamen Gebrauch von Tropen, Epitheten, Periphrasen und Phraseologie, nichtemotionale Syntax, Verwendung von syntaxischen Unterordnung, Hang zu Parallelelismus und Antithese, zu Fragen mit darauf folgender Antwort, reiche Verwendung von Anaphern, Wiederholung, Einschalten von Zitaten und Belegstellen aus den wissenschaftlichen Werken, besondere Bedeutung der architektonischen Gliederung.
Vorkommensbereiche sind neben den Wissenschaften alle beruflichen Sparten, die sich durch einen bestimmten Forschungs- oder Bearbeitungsgegenstand, eine spezielle Methode oder ein spezielles Instrumentarium auszeichnen, für die eine funktional angepasste Sprache vonnöten ist.
Im Falle der Wissenschaftssprachen ist die Grundlage ein festes terminologisches System
Die sprachlichen Merkmale:
• Hoher Anteil an Nomina / nominalen Ausdrücken
• Monosemierung (Vereindeutigung) von Homonymen, Definitionen
• Univerbierungen, Abkürzungen, Wortneubildungen
• Verzicht auf autosemantische Vollverben zugunsten von Präpositionalgefügen ("kommt zur Durchführung")
• Bevorzugung von Ist-Verben (ist, verhält sich, scheint, zeigt sich, besteht aus, beträgt)
• Keine Personalsubjekte (stattdessen: "man", "das Institut", "der Betrachter")
• Tendenz zur Passivierung
Einfache Satzstrukturen, starke Gliederung.
Zur Abgrenzung von Wissenschaftssprache und Fachsprache(n): Es liegt auf der Hand, dass Fachsprachen für die Wissenschaftssprache unumgänglich sind. Unterschiede bestehen erstens darin, dass die Wissenschaftssprache fachgebietsübergreifend ist; es gibt keine Wissenschafts-, wohl aber eine Fachsprache der Medizin, Mathematik,
Psychologie, Politikwissenschaft usw. Zweitens sind Fachsprachen kommunikationsbereichsübergreifend; sie gehören auch zum sprachlichen Erscheinungsbild weiterer funktionaler Varietäten. Genannt seien die Behördensprache (z.B. Fachsprache des Rechtswesens) und die Pressesprache (man denke an den Wissenschafts-, Wirtschafts-,
Börsen- und Sportjournalismus), und drittens können bestimmte Fachsprachen
als Soziolekte aufgefasst werden, da man sie an bestimmte Berufsgruppen (Handwerker, Jäger, Seeleute) und Freizeitgruppen (Philatelisten, Numismatiker) binden kann. Bezeichnungen wie „Fachwissenschaftssprache“ für einen Funktiolekt (Löffler 1994, 86) oder die dezidierte
Einordnung von Fachsprachen in den Kreis der funktionalen Varietäten
(ebd., 113ff.) werden dem unterschiedlichen Status von Wissenschafts-
und Fachsprache nicht gerecht.
Empfohlene Literatur zur Vertiefung: „Zur Beschreibung eines Funktionalstils: Stil der Wissenschaft“ (Riesel/Schendels 1975, 292-299);„Wissenschaft“ (Fleischer/Michel 1975, 260-264); „WissenschaftlicherStil“ (Peukert 1977, 72-75); „Formulieren und Textmuster. Am Beispiel von Wissenschaftstexten“ (Sandig 1997); „Analyse eines wissenschaftlichen
Textes: funktionalstilistisch“ (Fix/Poethe/Yos 2001, 73-81).
Sprachstil der Publizistik.
Funktionale Charakteristik: Pressesprache ist eine Kommunikationsform,die sich im Rahmen des journalistischen Mediums Zeitung herausgebildet hat. Ihre Zweckbestimmtheit resultiert aus Aufgaben, die dem Journalismus in der Gesellschaft zukommen: über aktuelle und die
Öffentlichkeit interessierende Ereignisse zu informieren und meinungsbildend
zu wirken, d.h. einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu
leisten.
Kommunikative Rahmenbedingungen der Pressekommunikation:
Die Textproduzenten sind im Wesentlichen Journalisten und damit institutionell eingebunden (in eine Redaktion, Agentur u.a.). Der Rezipientenkreis besteht aus einem sozial heterogenen Massenpublikum, innerhalb dessen evtl. besondere Zielgruppen erreicht werden sollen.
Journalisten und Rezipienten befinden sich in einer je anderen Situation. Die Journalisten befinden sich im Dienst, die Rezipienten nicht. Für sie ist das Lesen einer Zeitung/Zeitschrift i.d.R. Privatsache; deshalb können sie auch entscheiden, ob sie die Zeitung lesen und was sie lesen. Die Kommunikationsgegenstände müssen bestimmten journalistischen Anforderungen
entsprechen (Aktualität, Interessantheit, Unterhaltsamkeit u.a.). Der Kommunikationskanal ist schriftlich.
Gattungssprachen: In Anlehnung an Lüger (1995, 22ff.) lassen sich unterscheiden:
• Pressesprache als Sprache einzelner Zeitungstypen (seriöse Presse,
Boulevard- bzw. Regenbogenpresse, Tageszeitungen);
• Pressesprache als Sprache einzelner Publikationsorgane (DERSPIEGEL, BILD);
• Pressesprache als Sprache von Zeitungssparten bzw. –rubriken (Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Lokales u.a.). Andere Differenzierungsmöglichkeiten erwachsen aus der Spezifik journalistischer Berufsrollen (Sport-, Wissenschafts-, Wirtschaftsjournalismus),
aus der Spezifik von Journalismuskonzepten (sozialwissenschaftlicher,
investigativer, populärer Journalismus) und Typen der journalistischen Stoffdarbietung (tatsachenbetontes und meinungsbetontes Darstellen). (Vgl. Lorenz 2002.) Anknüpfend an Letztere kann man unterscheiden zwischen der Sprache der journalistischen Nachrichtengebung
(Nachrichtensprache) und der Sprache der meinungsbildenden Kommentierung
von Nachrichten (Meinungssprache). (Vgl. Hoffmann 2005.) Dies korrespondiert mit der funktionalen Charakteristik von Pressesprache (s.o., 3.5.1), wobei nicht übersehen werden sollte, dass der Journalismus auch eine Unterhaltungsfunktion hat. Nachrichten- oder Meinungssprache erscheinen dann unterhaltungsfunktional geprägt etwa als
Sprache des Infotainments oder des Politainments.
Text- und Gesprächssorten: Nicht alle Zeitungstexte sind bekanntlich journalistische Texte: Wetterberichte, Kontakt-, Stellen- und Werbeanzeigen, Rätsel, Kochrezepte, Fortsetzungsromane u.a. weisen keine Merkmale der journalistischen Formung auf. Andererseits tragen Texte von Nichtjournalisten (Kommentare von politischen Publizisten,
Leserbriefe, Meinungsumfragen) durchaus zur Erfüllung der journalistischen
Aufgaben bei und sind deshalb einzubeziehen. Sie werden häufig
auch redaktionell bearbeitet. Als journalistische Text- und Gesprächssorten
gelten u.a.: Zeitungsnachricht, Zeitungsbericht, Leitartikel, Presse kommentar, Kunstkritik, Kolumne, Essay, Glosse, Porträt, Story, Reportage,
Interview.
Die Publizistik hat die Aufgaben, die Bevölkerung über die aktuellen Geschehnisse in der Politik, im Gesellschaftsleben, in der Kunst, Literatur aufzuklären. Zur Erfüllung dieser Aufgeben dienen verschiedene Ausdrucksmittel, wie Verwendung von aktuellen Realien (Namen von Zeitgenossen, Orts-und Zeitangaben, Bezeichnung von Organisationen, Einfluss von Ziffern und Daten), von Neologismen und aktuellen Schlagwörtern, von Periphrasen und Anspielungen; häufige Emotionalisierung des Wortschatzes(expressive Phraseologie, Splitter aus den territorialen Dubletten oder der familiären Lexik) sowie der Syntaxemotionale Wortfolge, Ausrufeintonation, Abbrüche und Einschaltungen). Je nachdem, ob die publizistische Mitteilung der wissenschaftlichen Prosa oder der schönen Literatur näher steht, ändern sich auch ihre typischen Ausdrucksmittel.
Charakteristisch ist die Verwendung einer Mischung aus Sprach- und Stilformen der Literatur- Fach- und Wissenschaftssprachen, besonders kennzeichnend sind:
• Nominalisierungen und Funktionsverbgefüge
• vereinfachter Satzbau, Parataxe
• Schlag-, Mode-, Jargonwörter
• syntaktische und stilistische Normenverstöße
• Träger von Neuerungen im Sprachwandel
Empfohlene Literatur zur Vertiefung: Pressekommunikation (Bucher1986); Pressesprache (Lüger 1995); „Analyse zweier Pressetexte:funktionalstilistisch, textsortenbezogen“ (Fix/Poethe/Yos 2001, 104-111);Stilistik für Journalisten (Kurz u.a. 2002); „Textmustervarianz – am Beispiel von journalistischen Porträts“ (Hoffmann 2005, bes. 104-109).
Sprachstil des offiziellen Verkehrs
Funktionale Charakteristik: Hauptfunktion der Behördensprache ist es, kommunikationsmittel zu sein bei allen Verwaltungsaufgaben sowie bei der Regelung von juristischen und offiziellen Angelegenheiten aller Art.
Kommunikative Rahmenbedingungen der Behördenkommunikation:
Die Kommunikationspartner begegnen sich in spezifischen sozialen Rollen, nämlich als Vertreter gesellschaftlicher Institutionen (Ministerien, Ämter, Gremien u.a.) bzw. als Bürger eines Staates. Die Beziehungen sind stets von nichtprivater Natur. Kommuniziert werden i.d.R.
Maßnahmen, die a) der Effektivitätssicherung bei der Realisierung von Verwaltungsaufgaben oder b) der Regelung des Zusammenlebens der Menschen, der rechtlichen Verhältnisse dienen. Der Kommunikationskanal ist vorwiegend schriftlich.
Gattungssprachen: Mit Riesel (1963, 21) kann man unterscheiden:
• Sprache der Ämter und Kanzleien;
• Sprache des Gerichtswesens;
• Sprache des Diplomatenverkehrs.
Eine andere Möglichkeit besteht in der Unterscheidung zwischen a)
Verwaltungssprache, b) Rechtssprache, c) Geschäftssprache.
Text- und Gesprächssorten: Gesetz, Verordnung, Bekanntmachung,Aktennotiz, Protokoll, Stellenausschreibung, Lebenslauf, Bewerbungsschreiben,Bewerbungsgespräch, Beurteilung, Antrag, Gesuch,Vollmacht, Bescheinigung, Urkunde, Fahrplan u.a.
Mit seiner Hilfe vollzieht sich der offizielle Verkehr zwischen den staatlichen Ämtern und Behörden, sowie der Amtsorgane mit dem Publikum. Für das Ausdruckssystem ist charakteristisch: Kompliziertheit und Langatmigkeit der Satzstrukturen (schwierige Rahmenkonstruktionen, erweiterte Attributsgruppen, übermäßigt große Sprechtakte, Meiden von expressiver Lexik und Phraseologie, von emotionaler Syntax). Die einzige emotionale Schattierung ist Offizialität, verbunden mit Feierlichkeit. Je nach der Thematik der Amtsdokumente ändert sich die Terminologie.
Zu den Vorkommensbereichen der öffentlichen Verkehrssprache zählen Verwaltung, Organisation, Gesetzgebung, Vertragswesen, Internationaler Verkehr, Propaganda, politische Meinungsbildung und Politikwissenschaften. Dementsprechend sind die Träger dieser Sprache die Bürokratie, Verwaltungsbeamte, Politiker, Juristen. Adressaten können im Gegensatz zu den anderen Fachsprachen auch die Nichtträger, oft die Allgemeinheit, sein.
Meist dient die Sprache des öffentlichen Verkehrs dazu, rechtliche Verhältnisse zu klären und Regelungen und Anweisungen für die äußeren Bedingungen des allgemeinen Zusammenlebens zu formulieren. Da hiervon die Allgemeinheit betroffen ist, ist der Wortschatz weitgehend allgemeinsprachlich. Gleichzeitig muss der Wortgebrauch jedoch Präzision, Eindeutigkeit und Einklagbarkeit des Gesagten gewährleisten, um Rechtskraft besitzen zu können. Allgemeinsprachliche Wörter müssen daher mit einer begrifflich festen Bedeutung versehen werden.
Sprachliche Merkmale:
• allgemeinsprachlicher Wortschatz mit festen Begriffsbestimmungen
• formelhafte Wendungen
• echte und unechte Passivformen ("sind zu leiten","haben zu erfolgen")
• Partizipialkonstruktionen ("bezugnehmend auf die von Ihnen gemachten Vorschläge")
• Funktionsverben ("zu Protokoll geben")
• Wortverdichtungen verkürzen die Sätze
• mechanische Kompositionen wie "Eheunbedenklichkeitsbescheinigung"
Zur Abgrenzung von Behördensprache und Amtssprache: In der sozio- bzw. varietätenlinguistischen Literatur wird Behördensprache in der Regel als eine von mehreren funktionalen Varietäten dargestellt, während mit Amtssprache der Tatbestand erfasst wird, dass es innerhalb eines nationalen Verbandes eine offizielle Sprache der Regierung und
anderer Institutionen/Organe mit festgelegtem einzelsprachlichem Status gibt. Amtssprache bezeichnet folglich keine Varietät (als Teilsprache einer Einzelsprache), sondern eine selbständige Sprache mit funktionaler Markierung. Das Deutsche beispielsweise ist Amtssprache u.a. in Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg und der Schweiz.
Darüber hinaus wird der Terminus Amtssprache anstelle von Behördensprache
verwendet, um in mehrsprachigen Staatsgebilden den hochsprachlich geprägten Sektor der offiziellen Kommunikation zu erfassen.
Ammon (2001, 19ff.) führt am Beispiel des Deutschen folgende Erscheinungsformen
von amtssprachlicher Mehrsprachigkeit auf:
1. Deutsch ist nationale Amtssprache zusammen mit anderen Einzelsprachen:
• in der Schweiz (hier ist Deutsch Amtssprache neben Französisch,Italienisch und Rätoromanisch);
• in Luxemburg (hier ist Deutsch Amtssprache neben Französischund Letzeburgisch).
2. Deutsch ist regionale Amtssprache, d.h. beschränkt auf eine Provinz,Sprachinsel o.Ä. innerhalb eines nationalen Verbandes:
in der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens (hier istDeutsch vorherrschende Amtssprache; Französisch wird subsidiärverwendet);
• in der autonomen Provinz Bozen-Südtirol in Italien (hier istDeutsch Amtssprache neben Italienisch; gebietsweise wird auch Ladinisch verwendet).
Das Beispiel Schweiz zeigt, dass aus dem gleichberechtigten Nebeneinander
von Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch mehrere einzelsprachliche Behörden- bzw. Amtssprachen erwachsen, die dem jeweiligen einzelsprachlich gebundenen Varietätengefüge angehören. Ob Behörden- bzw. Amtssprache eine Varietät oder eine selbständige Sprache ist, muss in Abhängigkeit von der Sprachsituation eines mehrsprachigen
Landes entschieden werden.
Empfohlene Literatur zur Vertiefung: „Der Stil des öffentlichen
Verkehrs“ (Riesel 1963, 437-443); „Verwaltung (Amtsverkehr)“ (Fleischer/
Michel/Starke 1996, 125-127); „Sprache des öffentlichen Verkehrs“
(Löffler 1994, 117-120); „Zu Nominationsproblemen im Bereich der Verwaltungskommunikation“
(Heinemann 1997); Analyse eines institutionellen
Textes: pragmastilistisch“ (Fix/Poethe/Yos 2001, 82-94).
Sprachstil des Privat-und Familienverkehrs
Funktionale Charakteristik: „Alltag“ fassen wir mit Riesel (1970)als einen Kommunikationsbereich auf, in dem die Menschen privat, von dienstlichen oder institutionellen Zwängen befreit miteinander kommunizieren. Hauptfunktion der Alltagssprache ist es demzufolge, Kommunikationsmittel im privaten Umgang miteinander zu sein. Entscheidend ist nicht die Privatheit der Lebenssphäre schlechthin; sondern die
Privatheit bei der Pflege von Kontakten, beim Besprechen familiärer Angelegenheiten,
bei der Freizeitgestaltung usw.
Kommunikative Rahmenbedingungen der Alltagskommunikation:
Die Kommunikationspartner begegnen sich in ihren Alltagsrollen als Mutter und Sohn, Ehefrau und Ehemann, Freundinnen, Clubmitglieder, Kollegen, Kommilitonen, Wohnungsnachbarn usw. Die Beziehungen sind stets rein privater Natur. Es gibt keine spezifischen Kommunikationsgegenstände.
Der Kommunikationskanal ist vorwiegend mündlich.
Gattungssprachen: Mit Riesel (1970, 74) kann man unterscheiden:
• Alltagssprache im Familien- und Freundeskreis;
• Alltagssprache im Berufsleben, sofern die Beziehung nichtdienstlicher
Art ist (etwa in der Pausenkommunikation);
• Alltagssprache im kommunikativen Verkehr mit Fremden (ohne jegliche
offizielle Bindung).
Text- und Gesprächssorten: Privatgespräch (im Familien- und
Freundeskreis, auf Partys, in der Clique, im Wartezimmer usw.), Privatbrief
und Grußkarte, Tagebuch, Wegauskunft u.a.
Die Alltagssprache zeichnet sich gegenüber den anderen Vorkommensbereichen dadurch aus, dass sie unspezifisch ist in Bezug auf den Gegenstand der Konversation, die Sprecherkonstellation und die Intentionen der einzelnen Teilnehmer.
Da sie an gruppenspezifische, kleinräumliche Erfahrungs- und Wertsysteme gebunden ist, unterscheiden sich die konkreten Realisierungen sprachlicher Merkmale beträchtlich voneinander. Generell sind solche Merkmale:
• Neigung zu kurzen Sätzen, häufige Parataxe (Nebenordnung), Einschub von Interjektionen
• Freiheit des Satzbaus (z.B. Ergebnis wird vorweggenommen, Erklärung folgt nach)
• Neigung zu Verkürzungen, die durch die Situation ermöglicht werden
• symmetrisch orientiert, schließt Handlung und Situation in die verbale Planung ein
• Wortüberfluß (Füllwörter bei Verlegenheit oder Suche nach einem Wort)
• Lautliche Kontraktionen und Assimilationen
• Gebrauch von Allerweltswörtern wie "machen", "Ding"
• Charakteristisch: Ungezwungenheit, Emotionalität, Verwendung von Humor, Satire, Spott
Zur Abgrenzung von Alltagssprache und Umgangssprache:
Vordringlich erscheint die Bestimmung des Verhältnisses von Alltagssprache und Umgangssprache deshalb, weil beide Varietätennamen in der Literatur auch synonym verwendet werden. Betrachtet man das vorgestellte Modell des Varietätenraums, lassen sich mehrere Ausprägungen von Umgangssprache ableiten. Umgangssprache wird verstanden
als Sub- bzw. Nonstandard, der im Varietätenraum auf verschiedene Variablen
beziehbar, also mehrdimensional ist, wobei in jeder Dimension ein spezieller Aspekt zum Vorschein kommt (vgl. auch Hoffmann 2001, 26f.):
1. Im Bezug auf die Variable ‚Region’ erscheint Umgangssprache als ein Regiolekt, nämlich als Ausgleichsvarietät zwischen Hochsprache (als Standardvarietät) und Dialekten. Solche regionalen Umgangssprachen finden wir insbesondere in Großstädten und Industriegebieten;
man spricht von Urbanolekten, Stadtsprachen, Stadtdialekten (z.B. Berlinisch).
Im Bezug auf die Variable ‚Kommunikationskanäle’ stellt sich Umgangssprache
als ein Mediolekt dar, nämlich als spontane gesprochene Sprache (Sprechsprache), die neben der elaborierten geschriebenen Sprache (Schreib- oder Literatursprache) existiert.
3. Im Bezug auf die Variablen ‚Gruppe’ und ‚Fachgebiete’ erscheint Umgangssprache als Gruppen- bzw. Fachjargon (als ein Soziobzw. Professiolekt). Gruppenjargons (gruppensprachliche Jargons) sind beispielsweise Jugendsprache und Soldatensprache oder Varietäten mit Bindung an soziale Randgruppen (Obdachlose, Prostituierte, Häftlinge). Fachjargons (fachsprachliche Jargons) umfassen einen Fachwortschatz, dem die Kodifizierung in Gestalt schriftlich fixierter, definierter Bedeutungen fehlt.
4. Im Bezug auf die Variable ‚Soziale Situation’ ist Umgangssprache ein Emotiolekt, genauer: stilistischer Substandard, der sich in die Stilschichten ‚umgangssprachlich’, ‚salopp-umgangssprachlich’ und ‚derb/vulgär’ weiter untergliedern lässt. Alltagssprache kann anhand dieser Unterscheidungen als eine funktionale Varietät bestimmt werden, die Sprachvarianten aller aufgeführten Ausprägungen von Umgangssprache in sich aufgenommen hat: stadtsprachliche Regionalismen, sprechsprachliche Varianten, Gruppen- und Fachjargonismen sowie stilistische Substandardismen (z.B. Vulgarismen). Da auch Dialektismen auf allen Ebenen des Sprachsystems und die Merkmale einer einfachen Standardsprache (Grundwortschatz, einfacher Satzbau) zum Erscheinungsbild von Alltagssprache gehören, ist
eine Gleichsetzung von Alltags- und Umgangssprache nicht gerechtfertigt.
Empfohlene Literatur zur Vertiefung: „Der Stil des Alltagsverkehrs“
(Riesel 1963, 461-477); Der Stil der deutschen Alltagsrede (Riesel
1970); „Alltagsverkehr“ (Fleischer/Michel 1975, 253-256); Gesprochenes
Deutsch (Schwitalla 1997); „Gesprochene Sprache“ (Duden-Grammatik
2005, 1175-1256).
Stil der schönen Literatur
Der Stil der schönen Literatur stellt eine ganz besondere funktionale Verwendungsweise der Sprache. Hier soll man 2 Stile unterscheiden: der literarischen-künstlerische Stil und Stil des Schriftstellers. Der erste ist der Stil ganzer literarischen Richtungen(deutscher kritischer Realismus, Naturalismus, Romantik, Klassik usw.) Der zweite ist ein Bestandteil des literarischen Stils. Unter dem Stil des Schriftstellers verstehen wir das Allgemeine(Material der allgemeinen Nationalsprache) und das Individuelle(künstlerische Verwendung dieses Gemeingutes).Die linguostilistische Spezifik der schönen Literatur ist die unbegrenzte Auswahl von sprachlichen Mitteln im konkreten Einzelfall, hier werden sämtliche Quellen –literarische und nicht literarische verwendet, Elemente verschiedener funktionalen Stile herangezogen, um durch eine hohe Stufe künstlerischen Eindringlichkeit die angestrebte gesellschaftliche Funktion zu erfüllen.
• höchste Form einer Nationalsprache
• Norm in Lexik, Grammatik und Phonetik
• in Schulen gelehrte und in allen Bereichen des Gesellschaftsverkehrs verwendete Sprache
• Ausgangspunkt zur Bestimmung besonderer Eigenschaften der anderen Funktionalstile
• sprachliche Merkmale durch die einzelsprachlichen Regeln festgelegt bzw. identisch mit denen der geschriebenen Sprache
Charakteristisch: bewusster Einsatz stilistischer Gestaltung und Ausformung.
Der große Reichtum an funktionalen-stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten innerhalb der Nationalsprache geht darauf zurück, dass die einzelnen Sprachstile eine große oder kleinere Anzahl von Abarten in sich einschließen, die ihrerseits wieder gewisse Ausdrucksvarianten nach sich ziehen. Diese Abarten der funktionalen Sprachstile bezeichnen wir als Gattungsstile. Die Gattungsstile stellen gleichfalls funktionale Verwendungsweisen der Sprache dar, nur dass ihr Wirkungsgebiet geringer ist als der funktionalen Stile selbst. So gehören z.B. zum Stil des offiziellen Verkehrs eine Reihe kleinerer Gattungsstile, wie etwa der Stil der Ämter, des Gerichtwesens, des Handelsverkehrs. Diese Gattungsstile werden alle durch die gemeinsamen Merkmale des offiziellen Verkehrsstils zusammengehalten, unterschieden sich aber im Einzelnen: durch besondere Terminologie, durch besondere phraseologische Klischees, durch gewisse Unterschiede im Charakter der Wortwahl und des Satzbaus.
Unter Stilzügen verstehen wir die inneren Stileigentümlichkeiten, die gerade für dieses oder jenes Verwendungssystem der Sprache charakteristisch sind. Sie werden durch außerlinguistische Faktoren bedingt: durch den Mitteilungszweck und das Thema der Rede in erster Linie, ferner durch die konkrete Sprechsituation.
Die Stilzüge ihrerseits ziehen konkrete sprachliche Realisierung nach sich: sie sind semantisch-expressive Ordnungsprinzipien, die für die Auswahl und zweckmäßige Verwendung der Sprachmittel innerhalb des funktionalen Stilsystem-und demnoch auch in der konkreten Rede selbst- zu sorgen haben.
Empfohlene Literatur zur Vertiefung: Kleine deutsche Stilistik (Kerkhoff 1962); „Über die Dichtersprache“ (Mukařovský 1976 [1940]);„Sach- und sprachübergreifende Gestaltungsmittel“ (Asmuth/Berg-Ehlers 1976, 113-147); „Literatursprache“ (Saße 1980); „Literatursprache: Entautomatisierung“ (Braun 1987, 47-52); „Dichtersprache und Gebrauchssprache im Varietätenraum“ (Hoffmann 2001).
Реферат Funktionalstilistik und Textlinguistik